Die Frau Drausau

Die Frau Drausau

Sie lebt in einer kleinen, gemütlichen Höhle, in der Nähe der Drau – die Frau Drausau – ein etwas rundliches, sehr liebes, blond gelocktes Schwein, mit immer roten Lippen. Ihre große Leidenschaft ist die Musik, genauer gesagt, das Gitarrenspiel und das Singen. Na ja, was sie auf ihrer Gitarre spielt mag ja ganz schön klingen, was aber ihren Gesang angeht, so konnte sie die Nachbarn noch nicht davon überzeugen, dass er schön ist.

Sie selbst natürlich genießt ihre Stimme und so schallt es mindestens 20mal am Tag aus ihrer Höhle: „Hallo ich bin die Frau Drausau, ein jeder Mann mich kennt, hallo ich bin die Frau Drausau, die spazieren geht, aber nie rennt.“ An diesem Lied übt sie Tag ein und Tag aus. Ihr Zuhause, die gemütliche Höhle, befindet sich inmitten eines kleinen Waldes und so verwundert es nicht, dass alle Waldbewohner, ob sie nun wollen oder nicht, Frau Drausau singen und spielen hören.

Es hören sie nicht nur die, die oberhalb der Erde leben, sondern auch die, die unterirdisch hausen, wie zum Beispiel Werner Wurm, dem bei diesem Lärm immer die Brille auf die Nasenspitze rutscht und das mag er noch unlieber als Zahnschmerzen. In der Nähe von Werner Wurm, gleich hinter der dicken Tanne, wohnt Meister Maul und sein Wurf. Meister Maul ist gewissermaßen der Bürgermeister im Wald, denn er ist der Älteste und wohl auch Klügste.  Um ehrlich zu sein, der Klügste ist Wurf, sein Sekretär.  Er ist ein kleiner Maulwurf und hat bereits etwas graue Haare. Alle nennen ihn Wurf, denn das Wort „Maul“ kommt ja schon im Namen vom Bürgermeister vor, und das, so meinen alle, genügt.

Wurf ist wirklich klug und wenn jemand Rat beim Bürgermeister sucht, so muss er immer für Meister Maul denken. Das tut er übrigens gern – er liebt denken und ist jedes Mal mächtig stolz, wenn ihm etwas einfällt. Meister Maul ist übrigens eine alte, große Kröte. Niemand hat ihn je ohne seine rote Kappe gesehen.  Egal ob zuhause oder sonst wo im Wald. 

Eines Morgens, Frau Drausau hört man schon wieder singen, klingelt das Telefon bei Meister Maul. Wurf hebt den Hörer ab und muss ihn 10cm vom Ohr weg halten, so sehr schreit der Anrufer. „Meister Maul, sagt Wurf, für dich, schon wieder eine Beschwerde über Frau Drausau. Werner Wurm ist am Apparat.“ „Grüß Gott, Werner Wurm, sagt Meister Maul mit tiefer Krötenstimme, was gibt’s?“

„Das ist ja zu Würmer kriegen, schreit Werner Wurm in den Hörer – diese Frau macht mich wahnsinnig – bitte unternehmen Sie etwas Herr Bürgermeister, bitte! „Wissen Sie, krötet Meister Maul beruhigend, ich verstehe Sie ja, aber was man da machen kann weiß ich im Moment auch nicht. Ich verspreche Ihnen aber, dass ich mich darum kümmern werde.“ „Ach, mein lieber Wurf, seufzt Meister Maul, nachdem er den Hörer aufgelegt hat, hast du keine Idee? Bitte hilf mir, du weißt ja, meine Ideen sind zwar wunderfein, aber deine sind allermeistens noch wunderfeiner.

„Hurra, endlich wieder etwas zum Denken, ruft Wurf.“ Er kratzt sich hinter dem linken Ohr, schiebt sich die Brille in sein graues Haar, runzelt die Stirn und stellt sich auf sein rechtes Bein, so wie er es immer macht, wenn er denkt. Und dann, wenn er eine Idee im Kopf sieht, fangen seine Augen zum Leuchten an und sein rechter Fuß berührt wieder die Erde. Wenn das der Fall ist, weiß Meister Maul, dass Wurf fertig ist und das ist immer ein spannender Moment. Diesmal dauert es aber lange, denkt sich Meister Maul, denn Wurf steht und steht und steht und das nur auf seinem linken Fuß. Noch kein bisschen Leuchten in seinen Augen – ui, das dauert. Das ist eben kein leichtes Problem, das er da zu lösen hat.

Während Wurf denkt, singt und spielt Frau Drausau. Eigentlich hört sie nur auf, wenn sie gerade isst oder schläft, ansonsten musiziert sie – na ja, sie will ja auch berühmt werden. Da, endlich, ein Leuchten erfüllt die Augen des kleinen Maulwurfs und langsam nähert sich der rechte Fuß der Erde. Und dann ist es soweit – Wurf steht wieder mit beiden Beinen am Boden und ein zufriedener Gesichtsausdruck verleiht ihm eine bezaubernde Schönheit. Die Brille sitzt wieder auf der Nase, die Stirn ist entrunzelt und Wurf wartet auf die Frage von Meister Maul.

Und die lässt nicht lange auf sich warten: „Mein lieber Wurf, sag mir deine Idee, vielleicht ist es ja die selbe, die ich irgendwann gehabt hätte!“ „Nun, Frau Drausau ist eine echte Künstlerin, ist das richtig, fragt Wurf“ „Ja, wenn du meinst – sprich weiter bitte, drängt Meister Maul ungeduldig.“ Mit erhobenem Zeigefinger und wichtiger Miene erklärt Wurf mit blitzgescheiter Stimme weiter seine Idee.

„Künstler können nicht anders, sie müssen ihre Leidenschaft leben. Ein Sänger muss singen und ein Gitarrenspieler muss Gitarre spielen, ob das nun allen gefällt oder nicht. Also bauen wir für unsere Künstlerin eine Bühne, sagt er und man merkt wie sehr ihm seine Idee gefällt. „Was, ruft Meister Maul, eine Bühne, eine Bühne damit sie im Freien spielt – dann können wir aus ziehen, weg von hier, weg von diesem schönen Wald – eine Bühne, das ist nicht dein Ernst. Und dafür stehst du eine viertel Stunde auf einem Bein?“ Wurf hat ganz ruhig darauf gewartet, dass sein Meister fertig ist mit dem Gekröte und sagt leise und geheimnisvoll: „Die Lösung liegt im Namen unserer Nachbarin verborgen.

Wir bauen ihr die Bühne gleich neben der Drau, ist das nicht schlau? Sie fühlt sich geehrt und niemand fühlt sich gestört.“  Nach diesen Worten hüpft er vor Freude über seine Idee in die Luft und klatscht mit den Füßen zusammen. Übrigens, für alle die das nicht wissen, die Drau ist ein Fluss. So könnten alle, die Frau Drausau hören wollen, zur Bühne gehen und alle die sie nicht hören wollen in aller Ruhe zu Hause bleiben, denn das Spiel würde sich mit dem Rauschen der Drau verschmelzen.

Die Augen von Meister Maul wachsen und wachsen und das Maul von Meister Maul öffnet sich, um seinen lieben Freund mit Lob zu überhäufen.„Genial, genial – Wurf, das ist einfach wunderbar. Da werden sich Werner Wurm und die anderen aber freuen, du bist super!“ Wurf ist zwar etwas verlegen, aber er genießt das Lob sehr. Seit der Idee von Wurf ist wieder Friede im Wald.

Frau Drausau singt und spielt voller Freude und Stolz nur noch auf der Bühne und sie hat auch immer mehr Publikum, denn wie das bei Künstlern so ist, wenn jemand zuschaut, sind sie noch besser. Einmal hat sogar Werner Wurm mit seiner Tuba dazu gespielt. Bei diesem Konzert hat auch Meister Maul und sein Wurf nicht gefehlt.